Die Stadtteilbibliothek Tøyen liegt – fast wie ein Laden – mitten in einer Einkaufspassage in einem wenig attraktiven 70er-Jahre-Bau. Die Bibliothek ist zweigeteilt: Der eine Standort ist für Kinder und Erwachsene eingerichtet und der andere Standort ausschliesslich für 10- bis 15-jährige Jugendliche. Allen anderen ist der Zutritt untersagt!
Einmal mehr: die Bibliothek als «Dritter Ort»
Dass die Bibliothek Deichman Tøyen lebt und die Nutzenden gerne herkommen, spürt man ganz deutlich. Die von Aat Vos bewusst komponierte Einrichtung im Stil von Shabby Chic (aber nicht Shabby Shabby, wie Reinert Mithassel anmerkt) kreiert eine wohnliche und heimelige Atmosphäre, ohne bieder zu wirken. Das Motto «Aufenthaltsqualität und viel Platz, um zu arbeiten und verweilen» wurde konsequent umgesetzt.
Die Thekenplätze für das Personal sind offen und leicht konzipiert. Es gibt keine Barriere zwischen Bibliothekarin und Besucher. Denn das Ziel ist klar: Die Mitarbeitenden und die Bibliothek sind für die Menschen und Kund*innen da, nicht für die Bücher! Eine wegweisende Aussage. Vor kurzem konnte die Bibliothek für die Erwachsenen einen Raum dazugewinnen. Hier ist eine fixe Bühne installiert. Der ganze Raum ist mit Vorhangschienen und verschiebbaren, aufklappbaren und verwandelbaren Elementen ausgestattet, um jede Form von Veranstaltung durchführen zu können: Für eine lauschige Erzählstunde zum Beispiel wird ein Bereich mit Vorhängen abgegrenzt, der Raum wird so zum heimeligen Eck. Dieselbe Idee wurde auch in der Jugendbibliothek umgesetzt. Bei unserem Besuch hat eine Bibliothekarin gerade einen Metallgegenstand unter der Bühne versteckt, der bei einer Schnitzeljagd dann gesucht werden soll.
Die Jugend hat spezielle Bedürfnisse
Für die Gestaltung der Jugendbibliothek Biblo Tøyen wurde eine Architekturpsychologin hinzugezogen. Ihre Kernbotschaft lautet: Jugendliche sind gerne «aufeinander» (Freundinnen quetschen sich auf engstem Raum aneinander), gleichzeitig möchten sie aber als Gruppe für sich sein und trotzdem Übersicht haben, was rundherum läuft. So fanden ehemalige Vierer-Skilift-Gondeln Einzug in die Bibliothek, Piaggio Apes wurden zu kleinen Werkstätten umgebaut, und an den Wänden sind runde Nischen und Höhlen entstanden.
Reinert Mithassel durfte bereits viele Auszeichnungen und Awards für Biblo Tøyen entgegennehmen. Die Bibliothek wurde in den norwegischen Medien porträtiert und immer wieder erwähnt. Dies hat zur Folge, dass viele Anfragen von externen Kulturschaffenden eingehen, die einen Workshop anbieten oder die Bühne für eine Performance nutzen möchten. Also eine Win-win-Situation für beide Seiten.
Reinert Mithassel setzt bei der Personalrekrutierung nicht mehr zwingend auf ausgebildete Bibliothekar*innen. Für die Jugendbibliothek hat er ausschliesslich Menschen engagiert, die eine grosse Leidenschaft für Kinder und Jugendliche haben.
Sein Engagement, seine Überzeugung und Unbeirrbarkeit haben sich gelohnt, und der Erfolg in Form von vielen Besuchenden gibt ihm Recht.